Ich sitze gerade in Kroatien. um genauer zu sein auf der insel Krk. Eine insel, die scheinbar nicht nur ohne vokale auskommst, sondern auch nahezu ohne ebene flächen. Seitdem ich die landesgrenze mit meinem treuen gefährten, meinem fahrrad, überquert habe, geht es rauf und runter. Und zwar ständig so steil bergauf, dass ich mich nur müßig einen berg hinauf hieven kann und so steil bergab, dass ich nicht einfach locker herab rolle, während sich mein nicht mehr vorhandenes haar im fahrtwind rekelt, sondern ich stets beide bremshebel im anschlag habe, um einen eventuellen totalschaden zu vermeiden. Es ist zum teil hart und ernüchternd, so wie das bild mancher menschen, die ich hier getroffen habe. Du denkst das müsste es jetzt doch eigentlich gewesen sein und hinter der nächsten kurve wartet ein noch höherer aufstieg.

Ich bin hier, angelehnt an einen olivenbaum mit blick auf den unter mir liegenden ort und schaue der sonne zu, wie sie hinter den hügeln untergeht. Es fühlt sich anders an, denn nur ich habe mich hierher gebracht. Ich bin nunmehr seit 5 wochen unterwegs, bin über 2000km gefahren, habe über 12.000 höhenmeter überwunden, darunter die alpen und saß mit meinem anfangs noch knochigen hintern 115 stunden auf dem sattel.

Dabei erkenne ich die parallelen, denn rauf und runter geht es nicht erst seitdem die geografischen bedingungen es nicht anders zulassen. Meine reise ist gespickt mit persönlichen höhen und tiefen, die in ihrer volatilität der beständigkeit Trump’s aussagen gleich kommen. Nur stecke ich sie mittlerweile besser weg.

Gerade anfangs war es für mich als veganen lauch unglaublich hart. Nicht nur war ich untrainiert af, sondern hatte ich auch keinerlei erfahrungen was es heißt lange auf dem fahrrad zu sitzen, gar damit zu reisen. Überhaupt bin ich noch nie wirklich allein gereist. Zugelegt habe mir mein fahrrad eine woche vor abreise. Mein fahrradverkäufer hat mich ausgelacht als ich ihm eröffnete wann ich denn los wolle.

„Wie, Wann? Wenn es es fertig ist, fahre ich los.“

„Haha, du bist doch verrückt, sowas hab ich auch noch nicht erlebt“.

So war ich in den augen vieler eher schlecht vorbereitet und meine touren, wenn man sie überhaupt so nennen darf, beschränkten sich auf lockeres umherfahren in hannover, wobei ich allerdings gefühlt die hälfte der zeit beschwipst auf meinem gefundenen drahtesel saß.

Und dann sitzt du auf einmal mit einer gesunden portion naivität und zuversicht auf einem vollgepackten fahrrad, hast quasi das erste mal überhaupt einen rennradlenker in der hand und denkst dir okay…dann mal los, was geht ab istanbul? Voller enthusiasmus flitzt du los und trittst in die pedale. Es dauert keine drei stunden, da geht es los. Schon hast du das gefühl den kompletten rest der reise stehend fahren zu müssen. Nicht nur, weil der viel zu harte und zu schmale sattel so unglaublich schmerzt, dass es an folter grenzt, sondern du dir auch ernsthafte gedanken darüber machst, wie es wohl um deine fähigkeit dich fortzupflanzen bestellt sein wird, denn es wird ungefähr alles abgeklemmt. Aber ich liebe doch kinder?! nur eine der unzähligen anfänglichen beschwerlichkeiten.

Um ehrlich zu sein habe ich gerade anfangs schon sehr oft daran gedacht aufzugeben, es einfach sein zu lassen. Gerade wenn du alleine bist, ist da niemand der mal vorne weg fährt und dich dadurch antreibt oder dir sagt, komm die nächsten 20km machen wir noch. Auch ist da niemand, der die ganzen erfahrungen mit dir teilt. Du bist allein. Es ist schon ein ungewohntes bis komisches gefühl. Dabei ist es außerordentlich erstaunlich wie nah höhen und tiefen beieinander liegen können.

An einem tag bin ich morgens aufgestanden und losgefahren. Ich hatte irgendwo wildgecampt, dabei meine ersten erfahrungen mit wildschweinen gemacht und dementsprechend war meine nacht eher, sagen wir einfach mal unruhig. Mein knie machte mir zu schaffen, es ging gefühlt nur bergauf und mental ging es mir auch alles andere als gut. Warum machst du den scheiß eigentlich? Nimm einfach den nächsten zug nachhause! Tatsächlich hatte ich mir sogar schon überlegt was ich den leuten zuhause sage, wenn ich auf einmal wieder auf der matte stände. Irgendwo musste ich dafür aber erst mal ankommen. Ich fuhr und fuhr, biss mich durch und nach Stunden erreichte ich eine anhöhe mit einem fantastischen ausblick und in dem moment stimmte einfach alles. Ich hatte den bisher höchsten aufstieg meiner tour geschafft, es wehte ein leichtes lüftchen und die sonne setzte sich langsam. Ich holte tief luft und rollte glückselig dem horizont entgegen. Ehrlicherweise kullerte mir sogar eine träne die wange hinunter, weil ich so ergriffen war von der schönheit des moments und der vorangegangen strapazen.

Anstrengung und glück gehören zusammen. Salopp gesagt musst du auch mal durch den dreck gehen, um die annehmlichkeiten des lebens wirklich genießen zu können. Wäre ich mit dem auto zu dieser anhöhe gefahren, hätte ich die szenerie wohl auch durchaus genossen, ein foto geschossen und das wäre es gewesen. So aber war es ein persönlicher triumph und machte den moment besonders. Für alles was es wert ist, musst du einen aufwand betreiben. Übertragen bedeutet das: nichts wirklich erstrebenswertes wird dir jemals einfach so zufliegen. Trügerisch denken wir häufig, dass komfort das glück ausmacht und wir es besser haben, wenn wir keine schwierigen aufgaben zu bewältigen haben, doch das ist nicht wahr. Wir brauchen anspruchsvolle aufgaben, es liegt in unser natur. Die kunst dabei liegt darin sich das richtige für sich zu suchen und dann nicht aufzugeben. Egal wie schnell oder langsam ich fahre, solange ich überhaupt fahre, komme ich irgendwann auch ans ziel.

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